Gottesdienste und Andachten und Gebete

Hier kannst du meine gesammelten Predigten, Andachten, Gebete und Fürbitten nachlesen. Quellenangaben zu den Lesepredigten, die ich als Grundlage benutzte, findest du auch.

Altarraum_St._Nathanael_Hannover_Bothfeld

Meine Variation vom Aaronitischen Segen

Gott segne dich und halte dich.
Gott schaue dich an und schenke dir seine Gnade.
Gott nehme dich in seine Obhut und gebe dir seinen Frieden.

Amen.

Auswahl der Predigten, Andachten und Gebete Klicke auf den Link oder scrolle einfach weiter.

Predigt Palmarum,  24.03.2024

Benutzte Predigtentwürfe von Predigtentwürfen von Dr. Sigrun Welke-Holtmann und Pfarrer Prof. Dr. Christoph Dinkel. Beide Entwürfe betonen andere Aspekte des Predigttextes. Beide Ideen entsprechen meinen ersten Gedanken zum Text. So habe ich sie verbunden. 

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Predigt Estomihi, 11.02.2024

Benutzter Predigtentwurf von Prof. Dr. Axel Denecke. Diesen habe ich um Passagen aus dem Buch Amos ergänzt und als Dialogpredigt angelegt. Ungerade Absätze ich und gerade Absätze meine  Dialogpartnerin und unsere Pastorin Anja Lipponer.

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Predigt 1. Stg. n.T., 02.06.2024

Zukünftige Predigt 02.06.2024

Predigt Israelsonntag 10. Stg. n.T., 13.08.2023

Der Israelsonntag ist ein besonderer Sonntag gerade in diesen Jahren. Als Predigtgrundlage habe ich die Arbeitshilfe zum Israelsonntag 2023 genutzt. Ich habe der Gemeinde dazu ein Bild der „Ecclesia and Synagoga in our times“ verteilt.

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Predigt 7. Stg. n.T., 23.07.2023

Meine erste Predigt als Lektor. Leider konnten wir zum Thema Abendmahl kein Abendmahl dazu feiern. Die Vorlage schrieb Pfarrerin Esther Kuhn-Luz. Die Vorlage habe ich mir angeeignet und entsprechend angepasst.

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Predigt 20. Stg. n. Trinitatis, 20.10.2023

Grundlage ist der Predigtvorschlag vom Zentrum für Verkündigung, Frankfurt a.M.
Die Predigt wurde am Ambo sowie mitten in der Gemeinde gehalten.

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Predigt-Palmarum-240324 

Liebe Gemeinde,

Es ist heiß an diesem strahlenden Frühlingstag, obwohl die Sonne noch gar nicht ganz im Zenit steht. Die steinige Straße knirscht unter den Hufen der Tiere und den Sandalen der Menschen. Graubraune Steine. Flink flitzende Eidechsen. So früh schon verbrannte Erde. Ein steiniger Weg drückt unter Jesus Füße und ein schwerer Weg liegt vor ihm. Und dazu diese flirrende Hitze. Je näher er der Stadt kommt, desto mehr Menschen drängen sich auf den Straßen nach Jerusalem. Angelockt vom Passah-Fest. Dann geht auf einmal ein Raunen durch die Menge. Einige in seiner Nähe haben ihn erkannt und geben die Botschaft weiter. Wie ein Lauffeuer verbreitet es sich und bringt Bewegung und Musik in die Menschen. „Stell dir vor, Jesus kommt. Dieser Jesus, Du weißt schon, er ist auf dem Weg hierher!“
Sie laufen ihm entgegen, bilden eine Gasse, singen und schreien „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel!“ Palmzweige in den Händen, Kleider auf dem Weg und ein Psalmlied auf den Lippen. Ein königlicher Empfang wird ihm bereitet. Ein Esel zur rechten Zeit und Jesus erfüllt die alttestamentliche Verheißung: „Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.“

So in etwa stellt sich der Evangelist Johannes den Einzug Jesu‘ in Jerusalem vor. Wenn ich die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem höre, dann fehlt nur noch ein knalliges Walk-On-Lied, eines, wie es Sportler, Politiker und andere Stars nutzen, wenn sie „in den Ring steigen.“ Die Jünger hätten sicherlich gerne ein Walk-On-Lied gehabt für diesen triumphalen Einzug. Aber es gab noch keins für Jesus. So ist es ein Psalmlied zum Einzug in Jerusalem. Ist es sein Heimspiel? Nein, nicht wirklich. Es wird sein letztes Spiel - mit einem Ausgang, der für ihn schon klar ist. Aber für die jubelnde Masse noch nicht. Und für seine Freunde und Freundinnen schon gar nicht. Die genießen noch das Spektakel – endlich einmal im Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit!

Mir kommen bei dieser Beschreibung sofort Bilder in den Kopf von Popstars, Sportlern, Trainern und Politikern, die bei ihrem Erscheinen frenetisch gefeiert werden. Ihre Fangruppe scharrt sich um sie, um ein wenig Glanz und Glamour abzubekommen. Nur einmal die Luft einatmen, die sie eingeatmet haben. Ein schnelles Selfie, ein kurzes Video. Ritsch klick Tic Toc. Sie glauben daran, solange es gut ist, solange es gut geht. Solange alle ihre Hoffnungen sich zu erfüllen scheinen. Champions league, Meisterschaft, Pokal, ein weiterer Megahit, Brot und Spiele, mehr Medaillen, die gewonnene Wahl.
Ein neuer König! Welche Pracht! Jetzt wird alles gut!

Wie wir wissen, war dies für die meisten nur ein kurzer Hype. Jesus wurde erhöht. Aber nicht auf den Thron, sondern an das Kreuz! Was für eine Schmach! Was für ein Loser! Wir suchen uns einen neuen Propheten, geh mir weg! Kein „Hosianna“ mehr, sondern „Kreuzigt ihn!“ und „Helfe er sich selbst!“. Hatespeech und Shitstorm!

Übrig blieben die hartgesottenen Fans, die kleine unerschütterliche Fanbase: Die, die es gesehen hatten; die, die es gehört hatten; die, die wirklich dabei waren und die, die sich im Herzen überzeugen ließen. Es blieben nur die, die wirklich glaubten!
Soweit der Palmsonntag – der Beginn einer sehr verdichteten unendlichen Zeit.
Und nun Hand auf’s Herz: Wer kennt die Bibel? Wer kennt das Neue Testament? Ich meine: so richtig. In- und auswendig. Also ich nicht. Ich lerne sie mit jedem weiteren Lesen neu kennen. Ich bin immer wieder erstaunt und beeindruckt und ein wenig verwirrt und gleichzeitig angeregt, mich weiter vorzutasten. Noch einen Vers, noch ein Kapitel. Und es wird später und später in der Nacht. Ein Diamant mit unendlichen Facetten. Immer strahlend, immer schön und mit jedem weiteren Blick lerne ich neue Perspektiven kennen. So auch für heute wieder. Philipper 2,5-11 – der heutige Predigttext, den ihr gleich hören werdet. Philipper 2,5-11 – na, geht euch da ein Licht auf? Macht’s da klick? Zugegeben: ich wusste es (auch) nicht. Also: in Philipper 2,5-11 steht der „Philipperhymnus“, ein urchristliches Lied.

Und so klingt er nach der Bibel ‚Hoffnung für alle‘:
5 Nehmt euch Jesus Christus zum Vorbild:
6 Obwohl er in jeder Hinsicht Gott gleich war, hielt er nicht selbstsüchtig daran fest, wie Gott zu sein.
7 Nein, er verzichtete darauf und wurde einem Sklaven gleich: Er wurde wie jeder andere Mensch geboren und war in allem ein Mensch wie wir.
8 Er erniedrigte sich selbst noch tiefer und war Gott gehorsam bis zum Tod, ja, bis zum schändlichen Tod am Kreuz.
9 Darum hat ihn Gott erhöht und ihm den Namen gegeben, der über allen Namen steht.
10 Vor Jesus müssen einmal alle auf die Knie fallen: alle im Himmel, auf der Erde und im Totenreich.
11 Und jeder ohne Ausnahme wird zur Ehre Gottes, des Vaters, bekennen: Jesus Christus ist der Herr!

Warum Philipperhymnus? In der Stuttgarter Erklärungsbibel lese ich dazu: „Das Lied wurde vermutlich aus vorpaulinischer Tradition übernommen und hat im Gottesdienst seinen Sitz im Leben der Gemeinde. Solche Hymnen sind aus älteren Glaubens- und Bekenntnisformeln entstanden und stellen deren Aussagen über Christus in einen weiteren Horizont von Ewigkeit zu Ewigkeit. Sie preisen nicht nur die endzeitliche Vollendung seiner Herrschaft über die ganze Welt, sondern führen auch seine Herkunft immer weiter zurück auf Gottes Existenz vor aller Zeit. Ihre theologisch steilen Formulierungen sind keine spätere Erfindung, sondern haben alte Wurzeln im Gotteslob der frühen christlichen Gemeinden.
Okay. Was wir gehört haben, hat sich also in den frühen christlichen Gemeinden entwickelt und ist in etwa sowas wie unser Glaubensbekenntnis heute. Paulus hat den Hymnus im Philipperbrief etwa um das Jahr 55 nach Christi Geburt weitergegeben. Er hat es nicht selbst verfasst – es stammt aus vorpaulinischer Zeit. Verfasst oder entwickelt wurde es von den allerersten gläubigen Christen. Nach der Kreuzigung, nach der Auferstehung, nach der Himmelfahrt. Die Berechnungen zu diesem entscheidenden Jahr der Menschheit schwanken zwischen den Jahren 28 und 33 nach Christi Geburt. Der Hymnus hat sich also innerhalb von 20 Jahren entwickelt und wurde zum festen Bestand der Gemeinden.

In diesem Lied wird bereits sehr früh eines der Grunddogmen der Christenheit ausgesprochen: Jesus ist wahrer Mensch und wahrer Gott – ein Paradox von bemerkenswert inspirierender Kraft.
War Jesus also ein über die Erde wandelnder Gott?
Die eine Lesart des Liedes ist die menschlich-irdische: Jesus wird geboren wie ein Mensch. Er lebt wie wir und stirbt den menschlichen Tod. Jesus ist Wanderprediger und Lehrer, Heiler und Hoffnungsträger, ein Bote von Gottes beginnender Herrschaft über die Erde. Er ist Bote und Bringer der anbrechenden Gerechtigkeit und des anbrechenden Friedens. Das ist die Geschichte, wie sie die Freundinnen und Freunde bis zum Palmsonntag sehen.

Die andere Lesart der Geschichte Jesu ist die göttlich-himmlische: Im irdisch-menschlichen Leben Jesu vollzieht sich zugleich und nur für Glaubende sichtbar ein himmlisches Ereignis von kosmischer Bedeutung. Der große Gott macht sich ganz klein und wird Mensch, das Unendliche erscheint im Endlichen, das Ewige im Zeitlichen. So leuchtet die Liebe Gottes hell durch das Leben Jesu hindurch. In Jesu Zuwendung zu den Menschen wendet sich Gott den Menschen zu. In Jesu Leiden leidet Gott. Und weil Gott die Menschen für sich und seine Liebe gewinnen will, gibt er sich ihnen hin, stellt sich auf sie ein, lebt ihr Leben und stirbt ihren Tod. Das ist die Geschichte, die die Freundinnen und Freunde erst später erkennen – nach der Passion, nach dem Kreuzestod, nach der Auferstehung. Als die Freundinnen und Freunde, die Jüngerinnen und Jünger, die Gläubigen begriffen hatten, was vor fast 2000 Jahren in Jerusalem passierte, was offenbart wurde, was hell aufschien, da schrieben sie erste Lieder: kein Walk-On-Lied, kein We are the champions. Aber ein Lied, das alles zusammenfasst und die Erinnerung bewahrt. Wenn sie es sangen, wenn wir es heute hören, dann zieht Jesus ein, dann kommt Gottes Liebe zu uns allen. Ein spätes, aber dafür ewiges Walk-On-Lied. Der Philipper-Hymnus.

Der Apostel Paulus und der in seinem Brief überlieferte Hymnus lehren uns eine doppelte Lesart der Geschichte Jesu: Sein ganz und gar menschliches Leben ist zugleich ein göttliches Ereignis, ein Ereignis der überströmenden Hingabe und Liebe Gottes zu den Menschen.
War Jesus also doch ein über die Erde wandelnder Gott? Nein. Jesus war ein wirklicher Mensch. Aber er war ein Mensch, in dessen Leben und in dessen Worten der Gott sichtbar und erfahrbar wird, der die Liebe ist. Mitten im irdisch-weltlichen Leben sollen wir Gott und seine Liebe erkennen und uns von ihr anstecken lassen. Und mitten im irdisch-weltlichen Leben sollen wir selbst diese Liebe leben und weitergeben an unsere Nächsten. In der Familie, in der Gemeinde, in der Gesellschaft. Immer und überall. So entspricht es der Gemeinschaft mit Christus Jesus.
Nehmt euch Jesus Christus zum Vorbild: 6 Obwohl er in jeder Hinsicht Gott gleich war, hielt er nicht selbstsüchtig daran fest, wie Gott zu sein. 7 Nein, er verzichtete darauf und wurde einem Sklaven gleich: Er wurde wie jeder andere Mensch geboren und war in allem ein Mensch wie wir. 8 Er erniedrigte sich selbst noch tiefer und war Gott gehorsam bis zum Tod, ja, bis zum schändlichen Tod am Kreuz. 9 Darum hat ihn Gott erhöht und ihm den Namen gegeben, der über allen Namen steht. 10 Vor Jesus müssen einmal alle auf die Knie fallen: alle im Himmel, auf der Erde und im Totenreich. 11 Und jeder ohne Ausnahme wird zur Ehre Gottes, des Vaters, bekennen: Jesus Christus ist der Herr!

Amen. 

Predigt-Estomihi-240211

1. Haltet euch fest! Ein Sturm braust auf! Der Prophet Amos, Lautsprecher Gottes, hat seinen legendären Auftritt, der den Herrschern und religiösen Führern im Nordreich Israels das Haar zerzaust! Amos spricht im Buch Amos Abschnitt 5 – nein – er spricht nicht – er spuckt es aus:
21 Gott sagt: »Ich hasse eure Feiern, geradezu widerwärtig sind sie mir, eure Opferfeste verabscheue ich.
22 Eure Brand- und Speiseopfer nehme ich nicht an, und wenn ihr Tiere mästet, um sie mir darzubringen, ist mir das völlig gleichgültig.
23 Eure lauten Lieder kann ich nicht mehr hören, verschont mich mit eurem Harfengeklimper.
24 Setzt euch lieber für die Gerechtigkeit ein! Das Recht soll das Land durchströmen wie ein nie versiegender Fluss.

(Bibelversion Hoffnung für Alle)
Oder klingt das nicht eher nach einer Büttenrede am Faschingssonntag, was der Prophet Amos seiner Gemeinde vor fast 2800 Jahren und uns heute um die Ohren haut?

2. Ich will kurz etwas über das merkwürdige Leben des verrückten Propheten Amos erzählen. Er ist der älteste der „Schriftpropheten“ des AT und hat circa um 750 v. Chr. gelebt. Amos war ein Bauer, ein Maulbeerbaumzüchter, der eigentlich mit Gott und dem „richtigen“ Glauben und Ritus wenig zu tun hatte. Amos war kein studierter Gelehrter oder Priester. Er wollte nur in Ruhe seine Maulbeerbäume pflanzen und die Früchte ernten. Doch dann rief ihn Gott an, er solle in der damaligen Metropole Bethel, wo das Zentralheiligtum war und der strenge König Jerobeam herrschte, gegen das Treiben im Tempel predigen. Gegen das flotte und verschwenderische Leben des Königs und sämtlicher Priesterschaft weissagen.

3. Wie auch andere Propheten sträubt Amos sich zunächst gegen Gottes Auftrag und will nicht. Und doch muss er dann - kann nicht anders - darf nicht anders. Denn Gott ist für ihn so bedrängend, dass er sich dem nicht entziehen kann. Und so tritt er auf, dieser närrische Prophet, dieser prophetische Narr und hält seine Reden, immer darauf vertrauend, dass der Geist Gottes aus ihm spricht:
Ihr fetten Basanskühe“, so nennt er die edlen Damen bei Hofe. „Wehe den Sorglosen in Zion…, den Vornehmen…, den Herren des Hauses Israel…, die ihr auf Elfenbeinbetten liegt, ausgestreckt auf euren Lagern…, die da trinken den feinsten Wein…, aber sich nicht kümmern um den Schaden Josephs. Darum schwört nun der Herr bei sich selbst: Sie alle sollen voran in die Verbannung wandern, und es vergeht der Jubel derer, die auf den Lagern sich strecken.
Ha, wenn das keine närrische Büttenrede ist! Ich könnte euch das ganze Amos-Buch vorlesen - es ist voll von diesen Narreteien.

4. Im Namen Gottes sagt er:
Ich hasse eure Feiern, geradezu widerwärtig sind sie mir, eure Opferfeste verabscheue ich. Eure lauten Lieder kann ich nicht mehr hören, verschont mich mit eurem Harfengeklimper.
Also, das ist stark. Die frommen Israeliten feiern im zentralen Heiligtum in Bethel, heute vergleichbar etwa mit dem Kölner Dom oder dem Hamburger Michel oder dem Petersdom, einen feierlichen Gottesdienst; liturgisch einwandfrei, pompös, mit großen Prozessionen, vielen Brandopfern von Tieren und Feldfrüchten. Alles korrekt – so wie es der liturgische Ablauf vorsieht. Der Oberpriester Amazja gibt auch seinen Segen dazu – und dann das. Gott wendet sich ab, nein nicht nur das, er spuckt es aus: „Ich mag das nicht riechen – es stinkt gen Himmel.“ Und all das sagt der närrische Amos im Auftrag Gottes.

5. Und Amos sagt noch mehr:
So spricht der Herr: Die Leute von Juda begehen ein abscheuliches Verbrechen nach dem anderen. Sie treten mein Gesetz mit Füßen und leben nicht nach den Geboten, die ich, der Herr, ihnen gegeben habe. ... Das werde ich nicht ungestraft lassen! Ehrbare Menschen, die ihnen Geld schulden, verkaufen sie in die Sklaverei, ja, sie verkaufen einen Armen schon, wenn er ein Paar Schuhe nicht bezahlen kann! Den Wehrlosen treten sie in den Staub, und dem Schwachen verweigern sie sein Recht. ... Neben jedem Altar machen sie sich weiche Polster aus den Kleidern, die sie den Armen als Pfand wegnehmen. Im Tempel ihres Gottes saufen sie Wein, den sie für nicht bezahlte Schulden gefordert haben!

6. Ich will jetzt nicht spekulieren, wie das damals vor 2800 Jahren auf die Leute wirkte, aber es war wohl heftig. Und deshalb wird Amos aus Bethel verbannt:
Amazja, der oberste Priester in Bethel, sandte einen Boten zu Jerobeam, dem König von Israel, und ließ ihm ausrichten: »Amos zettelt mitten in Israel einen Aufstand gegen dich an! Seine Reden sind unerträglich! ... «
Zu Amos sagte Amazja: „Du Prophet, verschwinde von hier und geh heim nach Juda! Dort kannst du weiter weissagen und dir so dein Brot verdienen. Aber hier in Bethel ist Schluss damit! Denn hier steht der Tempel des Königs, das wichtigste Heiligtum Israels.
Aber Amos war kein Profi-Prophet, wie es viele aus Prophetenschulen gab. Er tat es nicht des Geldes wegen. Er sagte nur die Wahrheit, aber keiner wollte diese hören oder sehen. So musste Amos gehen, er wurde ausgewiesen.

7. Was sagt uns Amos heute? Wie sollen wir heute mit Amos‘ Text umgehen?
Erstens: Wir könnten natürlich sagen: Ach, ist ja im Grunde nur eine verrückte Büttenrede am Faschingssonntag. Da ist vieles erlaubt. Ein bisschen verunglückt vielleicht. Aber wir sind tolerant, soll er doch seine wilden Ideen rausschreien. Wir lachen darüber und gehen einfach weiter. So könnten wir reagieren. Aschermittwoch ist ja alles vorbei und der normale Alltag hat uns wieder.

8. Zweitens: Wir könnten natürlich auch sagen: Das darf er nicht, das geht dann doch entschieden zu weit! Das muss verboten werden! Warum steht das eigentlich in der Bibel? Da steht ja sowieso viel Gestrüpp in der Bibel, wie schon der große Karl Barth und Luther sagten: „stroherne Episteln“. Das muss man nicht alles glauben und ernst nehmen. Also weg damit, so etwas wollen wir nicht hören. Lass uns in Ruhe! Lass uns Gottesdienste liturgisch korrekt feiern in unseren schönen Kirchen und am Sonntag unseren Glauben glauben. Alltags ist das egal.

9. Drittens: Wir könnten aber auch sagen; Ja klar, der Amos übertreibt hier, muss er vielleicht auch, damit er gehört wird. Hat er recht? Vielleicht sollten wir uns fragen: Wo entsprechen unsere Gottesdienste und unser ganzer christlicher Glaube wirklich dem Willen Gottes? Wo feiern wir fromme Gottesdienste, feiern aber im Grunde nur uns selbst? Wo sagen wir „Gott“, meinen aber im Grunde nur uns selbst, nur unsere eigene Frömmigkeit und vermeintliche Wohlanständigkeit? Wo dienen wir nicht mehr Gott, sondern nur unserem eigenen Selbst und drehen uns nur noch um uns selbst? Wo feiert sich unsere Kirche nur selbst und ist nicht mehr „für andere“ da?
Wir sollten Gott feiern und ehren und nicht das Geld, nicht die Influencerin, nicht das Freizeitvergnügen, nicht uns selbst in der Selbstverwirklichung. Ich selbst neige schon dazu, diese dritte Variante zu bevorzugen, auch wenn ich mich dabei für manche selbst zum Narren mache.

10. Viertens: Was bietet Amos nach diesem geharnischten Rundumschlag in der „Bütt“ schließlich an Positivem und Konstruktivem an? „Setzt euch lieber für die Gerechtigkeit ein! Das Recht soll das Land durchströmen wie ein nie versiegender Fluss.“
Wir können uns daran erinnern, wo wir herkommen, was der Ausgangspunkt unseres Glaubens war und ist. Gottes Recht und Gottes Gerechtigkeit, mit denen er uns für sich gewonnen hat. Und wir können uns engagieren, dass Gottes Recht und Gottes Gerechtigkeit wirklich unter uns zu wirken beginnen, dass sie „strömen wie ein nie versiegender Fluss.“

11. Halte ich jetzt selbst eine Narrenrede? Ich weiß es nicht! Es kann ja sein, dass Amos‘ positive moralische Forderung der Höhepunkt seiner ganzen Narretei ist. Dass also die Vision von „Recht und Gerechtigkeit“ unter uns allen der verrückten Büttenrede die Krone aufsetzt.
Aber vor ca. 2000 Jahren gab es ja noch einen, der solche Visionen hatte, sie weitersagte und als dummer Narr in den Augen der priesterlichen Oberhirten scheiterte. Nur verbannten sie ihn nicht, sie kreuzigten ihn.
Ich glaube auch an diesem Karnevalssonntag daran: Gottes Recht und Gottes Gerechtigkeit, seine Liebe und seine Vergebung gelten für uns alle, ganz bestimmt, darauf steht unser Glaube. Und ich glaube, dass wir in Liebe handeln sollen, damit „Recht und Gerechtigkeit“ für alle Menschen, auf der ganzen Erde, und ganz konkret für die Frau und den Mann neben uns, sich ausbreiten wie ein „nie versiegender Fluss.“ Und ich hoffe, ihr seid dabei, Recht und Gerechtigkeit auszugießen. Ich hoffe, ihr seid auch Wasserträger Gottes – so verrückt bin ich tatsächlich! Ich Narr im Namen Christi! Hoffentlich bin ich einer und bleib auch einer bis zu meinem Ende!
Amen! 

Predigt-20StgnT-231022

Abschnitt 1 - Ambo
Der heutige Predigttext, den wir gerade hörten, spricht vordergründig zwei Themen an:
1. die Ehescheidung sowie
2. die Segnung der Kinder.

Ehescheidung? Mich beschleicht bei dieser absoluten Aussage leichtes Unbehagen. Dieser kurze Auszug aus dem Evangelium wäre für mich heutzutage Grundlage eines ganzen Wochenseminars. So schaue ich heute nur kurz auf die Verhältnisse zu Jesu Zeit:
Nur Männer konnten eine Scheidung aussprechen. Nur Männer konnten faktisch ihre Frau verstoßen. Dies bedeutete Armut, Elend und Ehrverlust für Frauen und Kinder. Und so erscheint diese Aussage in einem anderen Licht: Jesus fordert einfach das Recht für Frauen und deren Kinder ein, wirtschaftlich und rechtlich versorgt zu bleiben. Er fordert, dass Männer nicht willkürlich über das Wohl und Wehe von Frauen und Kindern entscheiden können und setzt dagegen:
Was Gott so verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen.
Die Absolutheit seines Satzes ist vor dem Hintergrund der damaligen Verhältnisse zu sehen. Heute kann er sicherlich facettenreich erörtert werden.

Und die Segnung der Kinder? Für mich einfach selbstverständlich.
Für damalige Zeit fast unvorstellbar, denn Kinder waren in der Verfügungsgewalt des Vaters und wurden nur von ihm gesegnet.
Jesus bricht dieses Männerrecht auf. Er ermöglicht mit seinem Segnen ab sofort Gottes Beistand für alle, die keinen anderen Schutz und Hilfe haben.
Jesus setzt gegen die verschlossenen Herzen und die Schroffheit vor allem der Männer Gottes Gebot. Und das heißt: Liebe!

Und wie gehen wir nun mit diesem Evangelium heute um?
Was kann es uns aktuell sagen?
Hören wir dazu ein bekanntes Lied.

Abschnitt 2 - sitzend
Lied „Gebt den Kindern das Kommando“ von Herbert Grönemeyer gekürzt 2:26

Abschnitt 3 - Ambo
So sang Herbert Grönemeyer 1986. Ein Lied, dass viele Menschen heute noch berührt und bewegt.

In der Bibel kommen Kinder an 600 Stellen vor. Das ist gar nicht so wenig und im Psalm 127 heißt es beispielsweise: „Kinder sind ein Geschenk von Gott, eine Gabe des Herrn.“ Jesus ist sich dessen wohl bewusst. Und welchen Stellenwert Kinder bei Jesus und bei Gott haben, wird im heutigen Evangelium deutlich.
Lasst uns mal in die Szene des Predigttextes eintauchen, um genauer hinschauen zu können.

Abschnitt 4 – in der Gemeinde im Gang
> extra Pult, Mikrofon – ggf. zwei bis drei weitere SprecherInnen für Rolle Jünger und Rolle Eltern
Jesus steht in einer Traube von Menschen und erzählt von Gott, von seiner Liebe, Gnade und Barmherzigkeit uns Menschen gegenüber. Jesus predigt vom nahen Gottesreich und dass wir wachsam sein sollen. Er wiederholt uns gegenüber sein Doppelgebot der Liebe: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft. Das andre ist dies: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Es ist kein anderes Gebot größer als diese beiden.“
Untermauert werden all diese Worte durch die Jünger, die immer wieder staunend von den vielen Wundern berichten, die Jesus vollbracht hat.

Während wir gespannt allem lauschen, sehen wir, wie sich einige Mütter und Väter mit ihren kleinen Kindern unserer Gruppe nähern. Auch sie haben viel über Jesus, seine liebevolle Rede über Gott und seine Macht gehört, Sünden zu vergeben. Nun wollen sie zu ihm, damit er ihre Kinder segnet.

Doch bevor sie nur in seine Nähe kommen können, treten einige der Jünger vor sie und bauen sich wie ein Schutzwall vor ihnen auf.
„Was wollt ihr?“ fragen sie abwehrend und so laut, dass auch wir es hören können.
„Wir wünschen uns, dass Jesus unsere Kinder segnet.“ antworten die Eltern zaghaft.
Doch sie hören nur ein „Ihr stört! Jesus hat Wichtigeres zu tun als sich um euch zu kümmern! Was er zu sagen hat, können eure Kinder eh nicht verstehen. Der Glaube ist kein Kinderkram.“

Es ist still geworden um uns herum.
Jesus hat inzwischen aufgehört zu erzählen.
Er schaut seine Jünger irritiert an.
Wir spüren, wie sich die Atmosphäre ändert.
Wir merken, wie Jesus wütend und zugleich traurig wird.
Er geht ruhig, aber auch ganz entschlossen auf die Jünger und die Eltern mit ihren Kindern zu.
Schließlich sagt er zu seinen Jüngern:

„Was bildet ihr euch eigentlich ein?
Habt ihr denn so gar nichts verstanden?
Vor ein paar Stunden habe ich vor euren Augen und Ohren noch mit den Schriftgelehrten über die Ehe und die Ehescheidung diskutiert. Ich habe versucht ihnen und euch klarzumachen, dass alle Menschen Anteil am Reich Gottes haben.

Von Anbeginn als Mann und Frau geschaffen.
Als Menschen!
Als seine Ebenbilder.
Gott hat keine Hierarchien eingerichtet.
Der Mann steht nicht über der Frau.
Und die Erwachsenen nicht über den Kindern.
Die Frau genießt die gleiche Würde, das gleiche Recht wie der Mann. Und das gleiche gilt auch für die Kinder.
Ach, meine Jünger. Meine armen Jünger. Nichts habt ihr verstanden.
Eure Herzen sind genauso hart wie die der Schriftgelehrten.
Ihr habt ein Herz aus Stein, wie all die Menschen, die meinen, etwas Besseres zu sein.
Schaut euch die Kinder an! Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht Anteil haben am Reich Gottes.
Lasst es mich anders sagen: Nur wenn ihr werdet wie die Kinder, könnt ihr Anteil haben am Reich Gottes.
Ich weiß, das kehrt die normalen Verhältnisse um. Aber genau so ist Gott.
Das Himmelreich gehört denen, die so sind wie diese Kinder.“

Wieder lauschen alle wie gebannt den Worten Jesu. Was soll das heißen:
Nur wenn ihr werdet wie die Kinder, könnt ihr Anteil haben am Reich Gottes?

Jesus spürt unser Unverständnis. Er dreht sich zu uns um und erklärt:
„Eltern lieben ihre Kinder, nicht weil sie alles richtig machen, sondern um ihrer selbst willen. Oder?
Und Kinder vertrauen dieser Liebe. Schaut, wie sie in den Armen ihrer Mutter einschlafen oder ihrem Vater entgegenspringen, wenn er heimkommt.
Kinder sind Vorbilder im Vertrauen können. Sie vertrauen blind der Liebe ihrer Eltern, ihrer Großeltern oder auch ihrer Geschwister.
Sie probieren viel aus und lernen durch ihr gutes Tun.
Genau so will uns Gott!
Er liebt uns um unserer selbst willen, und nicht nur dann, wenn wir es ihm recht machen. Er liebt uns ohne Vorbedingungen!
Und: Er öffnet seine Arme, wenn wir ihm entgegenspringen und ihm erzählen wollen, was wir auf dem Herzen haben, was uns beschäftigt.
Kindliches Gottvertrauen.
Seine Nähe suchen – ohne Furcht.
Das können wir von den Kindern lernen.
Einfach Dasein.
Vor Gott da sein.
Von Gott lernen.
Sich hinsetzen, anlehnen und schweigen.
So unkompliziert, so kindlich einfach geht glauben.
Kinder berechnen nicht, was sie tun.
Die Welt gehört in Kinderhände.“

Und nachdem Jesus das alles zu uns gesagt hat, dreht er sich um, geht zu den Kindern, nimmt sie in die Arme, herzt sie und segnet sie.
Er wendet sich den Kindern zu. Er bricht mal wieder mit aller Distanz und auch mit den gesellschaftlichen Konventionen seiner Zeit.

In diesem Moment merken sowohl die Jünger als auch die Zuhörer seiner Reden, dass hier etwas Großartiges geschieht.
In diesem Moment eröffnet Jesus den Kindern eine ganz persönliche Beziehung zu Gott.
Er lässt sie seine Nähe, Liebe und Zuneigung spüren.

Soweit die Szene aus dem heutigen Evangelium.

Abschnitt 5 - Ambo
Jetzt schaue ich nochmal auf den Predigttext und sehe hinter diesen scheinbar getrennten Themen „Ehescheidung“ und „Kindersegnung“ nur noch ein großes Thema, gegen das sich Jesus wendet:
Gegen Regeln, die nicht Gottes Wille entsprechen, sondern von Erwachsenen mit hartem und Gott gegenüber verschlossenem Herzen erlassen wurden. Oft zutiefst ungerecht gegenüber Machtloseren, vor allem gegenüber Frauen und Kindern.

Und diesen menschlich-unmenschlichen Gesetzen setzte Jesus diese zentrale Aussage gegenüber: Wer sich das Reich Gottes nicht wie ein Kind schenken lässt, wird nie hineinkommen.

Was ist also die Botschaft für die, die nicht mehr Kind sind?
Du wirst in das Reich Gottes hineinkommen, wenn Du zulässt, dass Vorurteile, unsinnige Regeln und Einschränkungen vom Geist weggeweht werden.
Wenn Du Freude an der Welt hast, sie für die nachfolgenden Generationen erhalten willst und so handelst.
Du wirst in das Reich Gottes hineinkommen, wenn Du deinen Gott einfach nur liebst und deine Nächsten wie dich selbst. Nicht nur hier in der Kirche, sondern vor allem draußen in der Welt, im Alltag.

Und die Liebe Gottes, die größer ist als alles, was wir uns vorstellen und erträumen können, bewahre unsre Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen. 

Predigt-10.StgnT-230813

Liebe Gemeinde,
auf dem Bild sehen Sie eine Skulptur mit zwei Gestalten. Sie könnten Geschwister sein, so ähnlich sehen sie sich. Jede Gestalt trägt eine Krone und jede schaut hinüber zur anderen: Was hast Du da? Die eine rechts im Bild hält auf dem Schoß eine aufgeschlagene Bibel, die andere links im Bild eine geöffnete Torarolle mit den fünf Büchern Mose. Ihre Körper und Beine sind noch ein wenig voneinander abgewandt, doch ihre Köpfe drehen sich schon zur anderen hin und sie sitzen aneinander, Schulter an Schulter. Im Moment ändert sich etwas bei ihnen. Die beiden gucken noch etwas scheu. Aber jede schaut interessiert auf das, was die andere da in Händen hält und was sie zu bieten hat. So fängt das Lernen an. So beginnt gegenseitige Wertschätzung. So wächst gegenseitige Zuneigung. Sie waren sich fremd geworden und voneinander weggerückt. Jetzt erkennen sie sich wieder, rücken aneinander und sehen, was sie mit der anderen gewinnen.
Das Kunstwerk heißt „Ecclesia and Synagoga in our times“ – „Kirche und Synagoge in unserer Zeit“ – entworfen hat es der Künstler Joshua Koffman. Seit 2015 steht es auf dem Campus der St. Joseph’s Universität in Philadelphia in den USA. Dort zeigt es sinnbildlich, wie sich die christlich-jüdischen Beziehungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert haben.
Sie kennen vielleicht die alten Darstellungen der Ecclesia und Synagoga-Frauengestalten, wie sie beispielsweise am Straßburger Münster, der Trierer Liebfrauenkirche, dem Bamberger Dom und vielen anderen Kirchen zu sehen sind. Bei den alten Darstellungen gibt es eine Siegerin und eine Verliererin – die eine darf ihre Krone tragen, die andere muss eine Binde vor den Augen tragen. Die eine hält den Abendmahlskelch in die Höhe, die andere muss die Bundestafeln mit den Zehn Geboten sinken lassen. Solche Darstellungen haben über Jahrhunderte hinweg christliche Verachtung des Judentums in Stein gemeißelt und Judenfeindlichkeit gestützt.
Bei Joshua Koffmans Darstellung treffen sich Ecclesia und Synagoga, Judentum und Christentum auf gleicher Höhe. Sie vermitteln eine Ahnung davon, wieviel jüdische und christliche Menschen voneinander lernen können, wenn sie einander zuhören, sich anschauen, aufeinander achten.
Und das Lernen ist zentral für uns Menschen, weil sich das Leben ständig ändert und uns immer wieder neu herausfordert. Lernen ist zentral, da wir immer weiter bessere Antworten finden müssen als bisher geschehen. Und dabei die Bundestafeln oder die Torarolle sinken lassen? Niemals! Die zehn Gebote sind zentral für bessere Antworten!

Liebe Gemeinde, die Bibel stellt uns eine Gestalt als einen besonderen Lehrer in allen Lebenslagen vor: Es ist Mose. Mose unser Lehrer, so heißt er in der jüdischen Tradition – Mosche Rabbenu. Bis heute ist er Richtschnur und Vorbild im Judentum, und so ist er auch Vorbild für Jesus in den Evangelien. In der Lesung vom höchsten Gebot haben wir eben davon gehört. Was in der Bibel am Anfang des 2. Buches Mose mit einem Baby in einem Binsenkörbchen auf dem Nil beginnt, endet mit einer großen abschließenden Rede eines besonderen Lehrers an das ganze Volk Israel. Fast das komplette 5. Buch Mose dauert diese Rede. In ihr schaut Mose zurück und fasst zusammen, was für die Zukunft des Volkes Israel wichtig ist. Er gibt Antwort auf die Fragen: Worauf kommt es an? Wie sollst Du im gelobten Land leben? Was sollst Du lernen? Was ist Deine Aufgabe? Wie kannst Du Dir das alles merken? Was hilft Dir? Was kann all das kaputt machen? Und die Antworten auf diese Fragen gelten im Grunde heute genauso wie damals. Hören wir einfach mal zu, was Mose ziemlich am Anfang seiner Rede im 5. Buch im 4. Kapitel sagt (nach der BasisBibel):
5 Vergesst nicht: Ich habe euch die Gesetze und Bestimmungen gelehrt, wie es mir der Herr, mein Gott, befohlen hat. Handelt danach in dem Land, in das ihr kommt! Ihr sollt es in Besitz nehmen.
6 Befolgt die Gebote und handelt danach! Denn darin liegen eure Weisheit und euer Verstand, was den anderen Völkern auffallen wird. Sie werden von allen diesen Gesetzen hören und dann über euch sagen:
»Wie weise und vernünftig ist doch dieses große Volk!«
7 Urteilt selbst: Welches Volk ist ein so großes Volk und hat Götter, die ihm so nahe sind wie uns der Herr, unser Gott? Wir beten zu ihm und er hört uns.
8 Welches andere große Volk hat Gesetze und Bestimmungen, die so gerecht sind wie unsere?
Nur wir haben diese ganze Weisung, die ich euch heute verkünde.
9 Pass auf, Israel, und achte gut auf dein Leben! Vergiss die Ereignisse ja nicht, die du mit eigenen Augen gesehen hast! Behalte sie ganz fest in deinem Herzen dein ganzes Leben lang! Erzähl deinen Kindern und deinen Enkeln davon!
10Vergiss nicht den Tag, an dem du vor dem Herrn, deinem Gott, gestanden hast. Damals, am Horeb, gab er mir den Auftrag:
»Hol mir das Volk zusammen! Sie sollen hören, was ich selbst ihnen sagen will. So lernen sie, mir jeden Tag mit Ehrfurcht zu begegnen, so lange sie auf der Erde leben. Das sollen sie auch ihren Kindern beibringen.«
11 Also seid ihr näher gekommen, bis ihr am Fuß des Berges versammelt wart. Der Berg stand in Flammen, bis zum Himmel loderten sie. Ringsum waren Dunkelheit, Wolken und Finsternis.
12 Da redete der Herr, euer Gott, zu euch, mitten aus dem Feuer hörtet ihr ihn sprechen. Ihr konntet den Klang seiner Stimme hören, aber eine Gestalt habt ihr nicht gesehen. Da war nur diese Stimme.
13 Er verkündete euch seinen Bund, den ihr halten sollt – die Zehn Worte. Die schrieb er auf zwei Tafeln aus Stein.
14 Mir befahl der Herr damals, euch die Gesetze und Bestimmungen zu lehren. Die sollt ihr im versprochenen Land halten, in das ihr hinüberzieht, um es in Besitz zu nehmen.
15 Passt gut auf, achtet auf euer Leben! Denn ihr habt keine Gestalt gesehen, als der Herr, euer Gott, zu euch sprach.
Am Horeb sprach er mitten aus dem Feuer.
16 Es wäre verhängnisvoll, wenn ihr euch ein Bild von Gott macht:
Macht euch keine Nachbildung, keine männliche oder weibliche Götterfigur!
17 Macht euch kein Abbild eines Tieres, das auf der Erde lebt, oder eines Vogels, der am Himmel fliegt!
18 Macht euch auch kein Abbild eines Kriechtieres oder eines Fisches, der unten im Wasser lebt!
19 Lass dich auch sonst nicht verführen: Du richtest die Augen Richtung Himmel und siehst Sonne, Mond und Sterne? Du siehst das ganze Heer des Himmels? Dann bete sie nicht an und verehre sie niemals! Denn der Herr, dein Gott, hat sie anderen gegeben:
Andere Völker unter dem Himmel mögen sie anbeten.
20 Aber der Herr hat euch genommen und aus Ägypten geführt. Dieses Land wirkte auf euch wie ein Schmelzofen. So wurdet ihr Gottes eigenes Volk, sein Eigentum. Das seid ihr auch heute noch.

Liebe Gemeinde,
mit unserem Abschnitt beginnt ein Kernstück der Rede des Mose: Ein Kapitel später folgen noch die Zehn Worte bzw. die Zehn Gebote. Und ein Kapitel weiter kommt das „Schma Jisrael“: „Höre, Israel: Der Herr ist unser Gott, der Herr allein! Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft.“. Eben haben wir im Evangelium gehört, wie Jesus genau dies zitiert, als er nach dem höchsten Gebot gefragt wird.
„Höre Israel“, so beginnt schon die Rede im 5. Buch Mose wenige Verse vor unserem Predigtabschnitt. Das Wort vom Berg ist zunächst Lehre für das Volk Israel. Dieses Wort mit seinem besonderen Klang pflanzt sich fort von Generation zu Generation – bis heute. Von Anfang an geht die Lehre auch hinaus in die Welt und am Ende werden die Völker nach Jerusalem zum Berg Zion kommen, um diese Weisung und Lehre zu lernen und ihre Schwerter zu Pflugscharen zu machen. Diese friedvolle Vision entwickeln die Propheten Israels aus dem Wort vom Berg Horeb in einer feindseligen Gegenwart voller Zerwürfnisse und Krieg. Mose, der Lehrer Israels, inspiriert die ganze Menschheit. In seinem jüdischen Volk und weit darüber hinaus hat er seither Politiker und Freiheitskämpferinnen angeregt, ermutigt und geleitet. Die Lehre für Israel nährt und trägt bis heute viele, die nach Gerechtigkeit und Freiheit hungern und dürsten – und auch uns.
Der Mose, der hier redet, ist ein erfahrener Lehrer. Er weiß, dass ein Mensch auf ganz verschiedene Weise etwas lernen kann. Das Lernen fängt damit an, dass jemand mich ansieht, mir überhaupt etwas zutraut und mir eine Aufgabe anvertraut. Was mir dabei hilft, ist ein gutes Vorbild, an dem ich mich orientieren kann. Lernen funktioniert, wenn jemand eigene Erfahrungen und Einsichten weitergibt, erzählt, was ihm oder ihr geholfen hat, was Kraft gegeben hat und was neue Kenntnisse und Einsichten überhaupt bringen. Idealerweise erzählen auch Eltern ihren Kindern davon und die erzählen es ihren Kindern weiter. Eine Generation lebt es der kommenden Generation vor. Dabei funktioniert das zum Bösen wie zum Guten. Deshalb schärft der Lehrer Mose in seiner Rede immer wieder die Verantwortung derer ein, die Entscheidungen treffen: Alles hat Konsequenzen, nicht nur für Euch, sondern auch für die, die nach Euch kommen. Deshalb: Höre gut, Sieh hin, Pass genau auf...
Ganz wichtig ist in unserem Abschnitt das Verbot, sich Bilder zu machen. Natürlich gibt es großartige Kunst in Wort, Bild und Ausdruck, die Mut macht, tröstet, Orientierung gibt. Hier geht es um etwas Anderes: Etwas in einen Rahmen hineinzustecken, in Form zu gießen oder in Stein zu meißeln, birgt immer die Gefahr, eigene Vorstellungen und Bilder festzuschreiben und vorzuschreiben, so etwa:
Gott ist „ein alter Mann mit weißem Bart“,
Jesus sah aus wie wir,
Jesus hatte lange Haare und einen Bart.
Und dann gibt es die fatalen Bilder, wie „die Juden“ angeblich sind oder „die Schwarzen“ oder „die Sinti und Roma“ oder „die Geflüchteten“ oder auch einfach „die aus dem anderen Stadtteil“ oder eben einfach „die Anderen“. Pauschale Bilder sind einfach, aber der Lehrer Mose ruft hier: Stopp! Das Denken in Schubladen und festgefügten Bildern passt nicht zum Klang der Stimme Gottes vom Berg:
15Passt gut auf, achtet auf euer Leben! Denn ihr habt keine Gestalt gesehen, als der Herr, euer Gott, zu euch sprach. ... Macht euch keine Nachbildung, keine männliche oder weibliche Götterfigur!
Ja – Mose hat sich an seine eigene Familie, seine Verwandten und Geschwister, sein Volk gewendet. Doch an ihrer konkreten Geschichte, an ihrem persönlichen Vorbild, aus ihren Gesetzen und Bestimmungen können auch wir etwas lernen, die wir nicht zu dieser Familie gehören. Die Bibel rechnet von Anfang an damit, dass die Worte vom Berg etwas in Gang setzen können, das größer ist als die Menschen, mit denen er geredet hat.
Was Mose seinem Volk hier nahebringt und anvertraut, sprüht Funken, leuchtet weit über diesen Kreis hinaus und wird zur Inspiration für viele – auch für uns:
Befolgt die Gebote und handelt danach! Denn darin liegen eure Weisheit und euer Verstand, was den anderen Völkern auffallen wird. Sie werden von allen diesen Gesetzen hören und dann über euch sagen:
»Wie weise und vernünftig ist doch dieses große Volk!«
Urteilt selbst: Welches Volk ist ein so großes Volk und hat Götter, die ihm so nahe sind wie uns der Herr, unser Gott? Wir beten zu ihm und er hört uns.
Welches andere große Volk hat Gesetze und Bestimmungen, die so gerecht sind wie unsere? Nur wir haben diese ganze Weisung, die ich euch heute verkünde.

Liebe Gemeinde,
noch einmal schaue ich auf die beiden Figuren des Kunstwerks und denke an den großen Lehrer, wie er uns im 5. Buch Mose begegnet. Die beiden Gestalten reißen sich nicht den Schatz der jeweils anderen unter den Nagel oder stehlen die Worte der anderen. Sie schauen interessiert, was die andere zu bieten hat! Jede hat ihre eigene Tradition, und die ist jeweils eng mit der anderen verbunden, aber unterscheidet sich zugleich von der anderen. Jede hält ihre eigene Tradition in ihrer unterschiedlichen Gestalt hoch. Und so kann echtes Lernen funktionieren: Alle bringen etwas Kostbares mit, alle behalten die Deutungshoheit. Vielfalt und Verschiedenheit haben einen Wert. Und wie wir wissen, sind beide untrennbar miteinander verbunden. Geht es der einen schlecht, leidet auch die zweite. Geht es beiden gut, freuen sich beide! Das lernen wir auch heute immer aufs Neue. Und dieses gemeinsame Lernen übt den Respekt und die Liebe, die Begeisterung und die Inspiration für den Reichtum und die Fülle der Gnade Gottes, die höher ist als alle unsere menschliche Vernunft. Amen.
Sie bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen. 

7. Stg. n.T.-230723

Liebe Gemeinde,
bereits nach der Idee, unser neues Kirchengebäude zu bauen, brachen in der Gemeinde unruhige Zeiten an. Kaum waren diese vorbei, die Kirche eingeweiht, brach die Pandemie los. Und nichts war mehr wie vorher.
3 Jahre lang. Als die Pandemie verklang und alles wieder normal werden konnte, kündigte sich der Wechsel auf der Pastorenstelle an. Und bereits vorher wurden lange Zeiträume durch TeilzeitvakanzvertreterInnen überbrückt. Nun wird die Pastorenstelle sehr schnell neu besetzt. Dafür sage ich aus tiefstem Herzen: Gott sei Dank! Und schon sehen wir die nächste Kirchenvorstandswahl am Horizont.
Wir haben in den letzten Jahren viel erlebt. Viel ist in der Welt geschehen, viel ist in der Gemeinde geschehen und vieles hat sich gegenseitig beeinflusst. Viele wenden sich von der Kirche ab, verlieren das Interesse oder verlassen aus wirtschaftlicher Not die Kirche, um Kirchensteuer zu sparen.
Wie anders klingt da unser heutiger Predigttext der Apostelgeschichte aus dem 2. Kapitel die Verse 41 – 47. Er ist überschrieben mit dem Titel „Das Leben in der Gemeinde“, hier in der Fassung der BasisBibel:
Viele nahmen die Botschaft an, die Petrus verkündet hatte, und ließen sich taufen. An diesem Tag gewann die Gemeinde ungefähr 3000 Menschen hinzu.
Die Menschen, die zum Glauben gekommen waren, trafen sich regelmäßig und ließen sich von den Aposteln unterweisen. Sie lebten in enger Gemeinschaft, brachen das Brot miteinander und beteten.
Die Leute in Jerusalem wurden von Ehrfurcht ergriffen. Denn durch die Apostel geschahen viele Wunder und Zeichen.
Alle Glaubenden hielten zusammen und verfügten gemeinsam über ihren Besitz.
Immer wieder verkauften sie Grundstücke oder sonstiges Eigentum. Den Erlös verteilten sie an die Bedürftigen – je nachdem, wie viel jemand brauchte.
Tag für Tag versammelten sie sich als Gemeinschaft im Tempel. In den Häusern hielten sie die Feier des Brotbrechens. Voller Freude und in aufrichtiger Herzlichkeit aßen sie miteinander das Mahl.
Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk hoch angesehen. Der Herr aber führte täglich weitere Menschen zur Gemeinde, die gerettet wurden.

Meine Güte, welche Idealzustände! Menschen, die alle zu einer Gemeinde dazugehören und füreinander sorgen, miteinander teilen; die fürsorglich miteinander umgehen und einen Blick haben für soziale Gerechtigkeit. Sie verkauften Güter und Habe, verkauften ihre Immobilien und was sie sonst hatten. Jeder bekommt das, was er und sie nötig haben. Niemand geht leer aus, niemand hat zu viel. Einmütig waren sie – verstanden sich in ihrem gemeinsamen Glauben an den auferstandenen Christus als eine Gemeinschaft. Sie trafen sich regelmäßig, um miteinander Gottes Wort zu hören – im Tempel in Jerusalem. Denn das blieb „Haus Gottes“ – auch für diejenigen, die sich zu Christus bekannten. Denn Jesus selbst hatte auch hier gelehrt und war mit vielen Menschen im Gespräch gewesen. Aber sie trafen sich auch in den Häusern, reihum. Sie aßen miteinander – nicht nur die Freunde, sondern alle wurden irgendwo eingeladen. Sie teilten das Brot und erinnerten sich dabei immer an denjenigen, der ihnen das beigebracht hat: Wenn wir Brot teilen, dann werden wir satt. Dann denken wir immer auch an den, der für uns Brot des Lebens geworden ist.
Sie beteten miteinander, waren voller Dankbarkeit, lobten Gott und beteten auch füreinander.
So muss Gemeinde sein!
Ist so Gemeinde?
Wir kennen das anders – hier in Hannover, in Bothfeld, aktuell und aus den Entwicklungen der letzten Jahre. Ja, wir, die wir hier sitzen, verstehen uns als Gemeinde. Wir zahlen Kirchensteuern, um die Arbeit der Kirche zu unterstützen: die Seelsorge, die Diakonie, die Bildungsarbeit, die Kirchenmusik. Die Kirchensteuer – eine kleine Erinnerung daran, dass sie „den Erlös verteilten an die Bedürftigen – je nachdem, wie viel jemand brauchte.“
Aber dass wir so füreinander sorgen, wie es in der Apostelgeschichte beschrieben wird, das kennen wir nicht. Wir haben dagegen Strukturen aufgebaut, die dafür sorgen, dass anderen Menschen geholfen wird.
Ideal sind wir nach dem im Predigttext entworfenen Bild nicht als Gemeinde. Aber auch wir – und damit meine ich alle Gemeinden der Christinnen und Christen in der weltweiten Ökumene – wir lassen uns von den Aposteln unterweisen. Das Angebot ist jeden Sonntag da: sich von Gottes Wort Orientierung und Stärkung geben zu lassen. Wir beten füreinander und miteinander und feiern auch regelmäßig miteinander Abendmahl, wir teilen das Brot. Das alles sind „Erinnerungen“ an die erste Gemeinde der Christusnachfolgenden in Jerusalem.
Lukas zählt zudem in seiner Apostelgeschichte, woraus wir den Predigttext hörten, die vier Kennzeichen einer christlichen Gemeinde auf:
1. in der Lehre des biblischen Wortes bleiben und
2. in der Gemeinschaft handeln und
3. gemeinsam Brotteilen und
4. im Gebet Gemeinschaft erfahren.
Gemeinschaft untereinander und mit Gott. Das sind die Wesensmerkmale der universalen Kirche geworden. Wo das stattfindet, findet Kirche statt.
Spannend dabei ist, dass das nicht an einen Ort gebunden ist, sondern viel mehr ein Handeln beschrieben wird: Kirche ist dort, wo auf Gottes Wort gehört wird, Gemeinschaft erlebt wird, Brot geteilt, Brot gebrochen wird, Menschen im Gebet verbunden sind.
Also – ideal fing die Geschichte der christlichen Gemeinde an. Sozial gerecht und einmütig.
Stimmt das denn? War es tatsächlich so?
Wir kennen aus den Briefen des Apostel Paulus so viele Konflikte der Gemeinden:
Da hat jemand den anderen finanziell übervorteilt, also betrogen. In einer anderen Gemeinde trafen sich nur noch diejenigen, die begütert waren – und wollten mit den armen Menschen nichts mehr zu tun haben. Dann gab es jede Menge Konkurrenz und Machtkämpfe – wer ist der „Bestimmer“? Wer hat den bessern Glauben? Wer hat die Macht?
Menschliche Geltungsbedürfnisse waren in den christlichen Gemeinden genauso da wie in der nichtchristlichen Welt.
Und trotzdem!
Der Schreiber der Apostelgeschichte beschreibt den Anfang der christlichen Gemeinde als eine ideale Gemeinde. Und vielleicht ist damit gar nicht so sehr eine historische Realität beschrieben, sondern vielmehr eine Idee, wie sich Menschen zueinander verhalten sollten. Sie alle glauben an den auferstandenen Christus, der in seinem Leben – ganz unabhängig von dem Ansehen der Person – in vielen Begegnungen und Gesprächen die Menschenliebe Gottes spürbar werden ließ.
Der Bericht in der Apostelgeschichte über das Leben der ersten Christen ist also vielmehr ein in die Vergangenheit verlegter Zukunftstraum.
Und eine gute Zukunft kann man nur gestalten, wenn es einen guten Anfang gibt.
Das gilt auch für die Geschichten, die von anderen großen Aufbrüchen erzählen, die Menschen in die Freiheit geführt haben: vom Exodus über die Arbeiterbewegung, von der Theologie der Befreiung – auch der feministischen Theologie – bis hin zur großen Friedensvision Europas in der EU.
Auch wenn die Anfänge nie ganz ideal waren – die Geschichten darüber wurden als ideale Anfänge erzählt. Denn die Anfänge unserer Geschichten geben uns Orientierung und Kraft und Verheißung, wohin unsere Wege gehen können.
So ist das ja auch in den Anfangsgeschichten der Bibel.
Die Schöpfungsgeschichte erzählt von den guten Anfängen. Bei jedem Schöpfungswerk Gottes heißt es: „Und Gott sah, dass es gut war.“
Im Johannesevangelium lesen wir eine andere Geschichte eines guten Anfangs:
„Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.“
Es gibt keine Welt ohne Gottes Wort, meint Johannes. Und in Gottes Wort gibt es immer wieder Anfänge, weil es am Anfang war.
Auch dieser Bericht von der ersten Gemeinde der Christusnachfolgenden – eine christliche Gemeinde und Kirche hat sich ja erst später gegründet – auch dieser Bericht über ein ideales Zusammenleben der ersten Christen und Christinnen ist so eine Schöpfungsgeschichte, ein guter Anfang! Damit wir ein Bild für eine Orientierung haben, wie es sein sollte.
Die Erinnerung sagt: „Es war einmal“. Weil es einmal so sein soll. Der geglückte Anfang verspricht das glückende Ende. Als Utopie. Einen Ort, den es noch nicht gibt, den wir aber ersehnen.
Weder damals noch heute gibt es die „ideale Gemeinde“. Aber mit dieser Beschreibung aus der Apostelgeschichte haben wir eine Idee, wie Gemeinde sein könnte. Ein schönes Bild, mit dem wir unsere Realität immer wieder abgleichen können, um besser zu werden.
Deswegen regt sich ja zum Glück auch so viel Protest, wenn gerade in Kirchengemeinden zu viel Geld für Luxus ausgegeben wird und zu wenig für soziale Projekte. Weil das so im Gegensatz steht zu dieser Beschreibung: Sie teilten alles, je nachdem wie es einer nötig hatte.
Deswegen sind ja in einer Kirchengemeinde zwar nicht kreative Konflikte, aber zerstörerische Machtauseinandersetzungen so verheerend, weil sie gar nichts mehr davon zeigen, wie eine Gemeinde in Christus einmütig ist. Obwohl es doch der eine Christus ist, nach dem sich alle Christinnen und Christen nennen.
„Diese Geschichte der ersten Gemeinde ist wie die Unruh einer Uhr. Sie treibt unsere Lebensuhr weiter und sagt uns, dass die Zeit des Gelingens noch aussteht und wir noch nicht in dem Land sind, in dem alle in Frieden wohnen können.“ schreibt dazu Fulbert Steffensky (Der Schatz im Acker, S. 80f)
Aber die Sehnsucht danach teilen wir. Sie treibt uns voran. Und sie gibt uns immer wieder Motivation, uns für eine Gemeinde zu engagieren, in der etwas davon zu spüren ist, dass Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und verschiedenen Berufen und Biografien und Prägungen, mit verschiedensten Begabungen und Verletzungen im „Gasthaus Kirche“ genährt werden können.
Lassen wir dieses Bild von „Es war einmal“ in unseren Herzen erstrahlen und als Sehnsuchtsbild bewahren. Lasst uns im Glauben zusammenhalten und die Gemeinde jetzt weiter bauen. Jeder nach dem, was sie und er vermag. Lasst uns gemeinsam feiern und Worte finden, damit weitere Menschen jetzt zu uns finden.
Denn >Jesus sagt: „Jetzt ist die Zeit!“
Wenn Jesus sagt: „Jetzt ist die Zeit!“, dann ruft er zur Veränderung auf, zu mutigen Entscheidungen, die wirklich Veränderung bewirken. Und ja, es gibt sie, die entscheidenden Momente. Und du, du kannst dich entscheiden zwischen richtig und falsch. Das lernen wir doch von Jesus selbst, der sagt: „Jetzt ist die Zeit!“<
So predigte Pastor Quinto Ceasar zum Abschluss des Kirchentages:
Lasst uns handeln und im Geist Gottes füreinander und miteinander Verantwortung übernehmen – das schenke uns die Geisteskraft Gottes. Denn jetzt ist die Zeit!
Amen. 

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